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Tante Luzi Special
Meine Tante Luzi Kryn. Da liegt sie nun im kühlen Grab und war doch so lebenslustig und verrückt und voller Energie. Ihr Leben begann am 14.3.1919 in Danzig und endete am 21.8.2000 in Kiel. Viele Jahre hatte sie Leberkrebs, den sie einfach ignorierte. Sie fuhr jährlich zum Wallfahrtsort Lourdes und betete und hatte immer Erfolg.

Sie klagte weder über die Chemotherapie noch über Schmerzen. Und als ihr die Haare ausgingen schmückte sie sich mit ihren vielen Perücken. Nur zum Schluss hatte sie Schwindelanfälle, und da war der Krebs schon im Kopf angelangt und sie soll ganz friedlich eingeschlafen sein, sagte mir ihre polnische Betreuerin, die sie aufopfernd gepflegt hatte, hatte sie doch vielen polnischen Aussiedlern bis zuletzt bei Beamtengängen mit ihrer Dolmetschertätigkeit geholfen.

Luzi war ein guter, lebensbejahender Mensch, aber viele Freunde hatte sie nicht. Bis spät in die Nacht sah sie fern, sortierte ihren billigen glitzernden Schmuck und ihre bunten Kleider und ging gerne in Kiel zum Tanztee. Bei ihren Besuchen bei mir in Berlin ging sie gerne ins Café Keese, nahm eine Tüte mit Kreuzworträtseln mit, falls sie niemand auffordern würde. Luzi hatte ein schweres Leben. Während der Nazizeit diskriminierte man ihre Familie in Danzig, weil ihr Vater Pole war.

Nach dem Krieg war sie ein Mensch zweiter Klasse, weil ihre Mutter Deutsche war. Sie erlebte unerträgliche Armut in Polen. In den fünfziger Jahren schrieb sie meinen Eltern nach Praunheim viele Briefe, in denen sie um Hilfe bat. Luzi ist nämlich die Tochter der Schwester meines Großvaters väterlicherseits. Meine Eltern flohen von Ostpreußen nach Berlin, bis mein Vater dann in Frankfurt am Main Arbeit fand.

Luzi war mit ihrer Familie in Polen geblieben und versuchte viele, viele Jahre die Ausreise nach Westdeutschland, bis es ihr endlich 1965 mit ihrer uralten Mutter gelang. Kiel wurde ihre neue Heimat, wo sie bald im gerichtsmedizinischen Institut eine Arbeit als Sekretärin fand. Ich hatte sie schon als 14-Jähriger bei einem ihrer Besuche in Praunheim kennengelernt. Meine Eltern fürchteten sich vor ihren Besuchen, fanden sie schrecklich ordinär, zu dick geschminkt, ihre Kleidung fanden sie mutig.

Ich war begeistert. Luzi war für mich Theater. Mit ihrer schrillen Stimme übertönte sie alles. Ich wollte sie schon damals auf die Bühne stelle1. 1969 setzte ich sie zum ersten Mal in meinem dritten Kurzfilm Schwestern der Revolution ein. Ich brachte ihr als Partner einen jungen Stricher aus Berlin mit, Dietmar Kracht, beide total schräg und sehr, sehr lieb. Luzi akzeptierte Dietmar sofort, reagierte sehr unbürgerlich und drehte mit ihm einige Szenen an der Kieler Bucht.

Luzis Qualität war ihre unerschüttlerliche Selbstliebe. Kritik an ihrem eigenwilligen Äußeren ignorierte sie. Sie machte das, was ihr gefiel und setzte es auch durch. Film machte ihr Spaß, liebte sie doch Fotos, besonders von sich selbst in allen Posen, selbst am Grab der toten Mutter ließ sie sich fotografieren. Ich war begeistert. Luzi Superstar. Mit meinen Kurzfilmen hatte ich Preise gewonnen und bekam 1970 einen Auftrag vom ZDF, im Kleinen Fernsehspiel meinen ersten Langfilm zu drehen. Humoristische Dialektik nannte ich ihn, später wurde daraus Die Bettwurst. Wer konnte ahnen, dass Luzi mich mit dieser Bettwurst berühmt machen würde.

Die Kritik jubelte, Stars wurden geboren. Solch ungewöhnliche Darsteller hatte man im deutschen Fernsehen noch nicht gesehen. Das was Stefan Raab heute im Fernsehen macht, das habe ich schon vor 30 Jahren gemacht. Die Bettwurst ist immer noch Kult. Ganze Fanclubs spielen die berühmte Liebesszene „Dietmar, ich liebe Dich, Luzi, ich liebe Dich, so wie die Luft wo ich atme“ nach. Luzi und Dietmar waren echt, echt in ihrer scheinbaren Unbeholfenheit, in ihren scheinbaren Schwächen, die doch in Wirklichkeit Stärken waren.

Wer sind wir, die wir glauben besser zu sein, im Gegenteil wir sind langweiliger. Leider machte ich den Fehler, nach der ersten Bettwurst eine Fortsetzung im Jahre 1973 zu drehen mit dem Titel Berliner Bettwurst. Da waren wir alle schon viel zu bewusst, ich hatte mehr Geld und kaufte verrückte bunte Dekorationen, brachte Luzi aus Hollywood die witzigsten Kleider, wir suchten nach den geschmacklosesten Herztapeten. Es wurde Karneval und die Berliner Bettwurst ein großer Misserfolg ...

Dietmar war durch die Filme in Berlin sehr bekannt geworden. So konnte er sich langsam vom halbseidenen Milieu, in dem er oft eins auf die Schnauze bekam, trennen. In den Studentenkneipen lud man ihn oft und gerne ein und sein Leben wurde weniger gefährlich. Mit Geld konnte er nicht umgehen und große Gagen konnte ich ihm ja mit meinen kleinen Filmen nicht zahlen. Bei einem Picknick am Grunewaldsee soll er eine Flache Whiskey getrunken haben und beim anschließenden Schwimmen einem Herzschlag erlegen sein.

Das war Mitte der 70er Jahre, einen Tag bevor er in einem neuen Film bei mir spielen sollte. Mit Luzi arbeitete ich sporadisch weiter. Sie brillierte in meinem Hörspiel Frauen zwischen Hitler und Goethe. Ende der 70er Jahre und hatte wieder einen großen Erfolg in meinem bis dahin kommerziellsten Film Unsere Leichen leben noch von 1981, dem Debüt von Lotti Huber, die dann fortan über 10 Jahre meine Muse werden sollte.

Luzi spielte dann noch Mitte der 90er Jahre in meinem autobiografischen Film Neurosia mit. Fast 30 Jahre nach der Bettwurst verpflichtete ich sie für meinen ersten Hollywoodfilm Can I be your Bratwurst please, wo sie an der Seite des berühmten Pornostars Jeff Stryker spielte. Ich hatte Luzi für drei Wochen nach Hollywood geholt, ihr eine Betreuerin zur Seite gestellt.

Luzi machte alle Tanzlokale in Hollywood unsicher und liebte das Leben dort. Das war ein Jahr vor ihrem Tod. Der Film wurde bislang auf über 100 Festivals gezeigt und ist der erfolgreichste aller Erotic Tales der Ziegler Filmproduction. Luzi, Superstar. Vielleicht ist Die Bettwurst mein einziger Film, der auch mich überleben wird. Auf meiner Website ist er der Bestellknüller.

Ich danke dir Luzi und halte mir einen Platz warm an deiner Seite, wo immer du auch bist. Wer nach Kiel kommen sollte, der besuche doch Luzis Grab. Sie liegt auf dem Eichhoff Friedhof in Kiel. Sie hat extra eine kleine Bank aufstellen lassen, damit man gemütlich mit ihr plaudern kann.

Die Filme Bettwurst und Berliner Bettwurst könnt ihr auch bei absolut MEDIEN als DVDs bestellen. Und der Bildband Die Bettwurst und meine Tante Lucy kann hier bestellt werden.

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